Und noch eine ‘Winterreise’! Diesmal mit dem kanadischen Bariton Gerald Finley und Julius Drake am Klavier … Und es ist das Spiel des Pianisten, das dieser Einspielung der ‘Winterreise’ den Charakter des Außergewöhnlichen verleiht. Klar im Anschlag, konsequent in der Durchführung bis zum entschwindenden Ostinato des Leiermanns, nuancenreich im Ausdruck, stellt dieses die ideale ‘Tragfläche’ für den Sänger her.
Nur selten erlebt man denn auch eine so differenzierte, zugleich intensiv verhaltene und expressiv bewegende Gemeinsamkeit wie hier: Mit seiner warmen, fülligen Stimme, vor allem aber seinem überlegenen Verständnis der dichterischen Vorlage von Wilhelm Müller schafft es Gerald Finley, sehr persönliche und überaus kluge Akzente zu setzen. Jedes Wort des einzigartigen Liederzyklus’ erhält seine Bedeutung, jede Silbe ihre ‘Farbe’. Somit ist eine Darbietung entstanden, die von der ersten bis zur letzten Note fesselt.
Natürlich erreicht die Interpretation ihren Höhepunkt in den fünf letzten Liedern, die den Wanderer ans Ende der Nacht führen, wobei das letzte Aufbäumen in ‘Mut’ besonders bewegend wirkt. Doch auch ‘Erstarrung’, ‘Irrlicht’ oder ‘Letzte Hoffnung’ stellen bereits überaus eindrucksvolle Gestaltungsmomente dar. Fazit: Diese ‘Winterreise’ hat Erlebnischarakter.