PERFORMANCE
Drei Kulturen, drei Epochen, drei Cellosonaten. Gemeinsam haben die Werke neben ihrer Besetzung und der klassischen Form lediglich den—mehr oder weniger ausgeprägten—romantischer Tonfall sowie einen hohen Grad an Virtuosität. Dem in jedem Fall gerecht zu werden, schafft nicht jeder, wohl aber das Dream-Team Stephen und Steven: Der Pianist Stephen Hough und Cellist Steven Isserlis zeigen sich mit ihrer bei Hyperion erschienenen Einspielung in Bestform.
Zwei beliebte Repertoirestücke, Edvard Griegs Cellosonate in a-Moll op. 36 und Felix Mendelssohn Bartholdys Cellosonate Nr. 2 in D-Dur op. 58, bilden den Rahmen für Houghs eigene Komposition, eine Sonate für Cello und Klavier linke Hand mit dem Untertitel 'Les adieux'. Sei es Zufall oder Schicksal, doch interessanterweise war es Isserlis, der Hough zu dieser Komposition inspirierte. Dass die CD für die zwei nicht die erste gemeinsame Aufnahme ist, wird schnell deutlich. In allen drei Werken kommen beide in gleicher Weise zum Zug und nie scheint sich einer von beiden unnötig zurückzuhalten. Hörbar wird dies unter anderem in Mendelssohns technisch anspruchsvollem 'Allegro', in dem sich die Musiker voller Elan in die Musik stürzen und sich in fließenden Dynamik- und Tempowechseln den musikalischen Ball zuspielen.
Den Anfang macht jedoch zunächst Griegs stürmische Sonate a-Moll, in deren 'Allegro agitato' Isserlis und Hough ihr gutes Gefühl für akzentuierte Rhythmik unter Beweis stellen. Das stete Vorwärtsdrängen und Innehalten gibt dem Satz Lebendigkeit und bereits hier zeichnet sich ab, was für das gesamte Album Gültigkeit hat: Die zwei Musiker geben mit ihrem innigen und doch stets am Boden verankerten Ansatz der gefühlvoll-romantischen Seite der Musik nach, ohne dabei ins Kitschige abzudriften. Auch in der sich steigernden Melancholie des 'Andante' und dem zupackenden 'Allegro molto' sind die Musiker ganz nahe dran an der Musik.
Neben dem bereits erwähnten ersten Satz der D-Dur-Sonate von Mendelssohn fasziniert auch ihr verschmitzt wirkendes Scherzo mit seinem plötzlichen Umschwung zum schwermütigen Trio und zurück. Der vierte Satz als großes Finale verlangt den Musikern nochmal einiges ab. Sie bestechen durch feine Dramatik, die der ruhelosen Musik Nuancen verleiht. Hough glänzt mit einer präzisen Ausgestaltung des virtuosen Klavierparts; zusammen mit Isserlis eilt er von einer Steigerung zur nächsten.
Houghs Eigenkomposition hat als Kern der Aufnahme einen ernsten, sehr wehmütigen Charakter ohne den Hörer zu erdrücken. Obwohl tonal, gewinnt sie Ihren Charme durch die grazil eingewebten Dissonanzen. Auch wenn 'Les adieux' nicht programmatisch verstanden werden sollte, deutet es doch auf eine Klangrichtung hin, die die Musik anstrebt. Eine Besonderheit der Sonate ist ihr Aufbau als fortlaufender Satz, unterteilt in drei Abschnitte, die zwar eigenständig, aber dennoch aufeinander bezogen sind. Anfang und Schluss der Komposition ist ein zartes Pizzicato, das gleichwohl als Frage und Antwort verstanden werden kann. Houghs Klavierspiel greift vorsichtig die verhaltene Eingangsfrage des Cellos im einleitenden 'Moderato mesto' auf, und es entspannt sich ein intimer Dialog zwischen den Instrumenten, der sich stetig intensiviert und fließend in das 'Allegretto placido' übergeht. Waren die Instrumente zuvor mehr Einzelkämpfer als Duettpartner, gibt das Klavier in diesem Abschnitt den Impuls und sie finden doch noch zusammen. Feinsinnig werden Cello und Klavier miteinander verwoben und bringen eine innere Zerrissenheit zum Ausdruck, die sich erst im friedlichen 'Adagio sereno' auflösen kann.
Virtuosität: ja. Leidenschaft: ja. Melancholie: auch ja. Houghs und Isserlis‘ Spiel in diesen drei Aufnahmen ist kräftig und selbstbewusst, wobei sie auch den leisen, träumerischen Passagen gerecht werden, von denen es in den Werken einige gibt. Und doch vermeiden die zwei Instrumentalisten zum Glück in das übertrieben Sentimentale einzutauchen, drücken der Musik mit ihrer flexiblen Ausgestaltung ihren eigenen Stempel auf. Die Interpretationen wirken insgesamt geerdet. Der ihnen innewohnende romantische Ton wird nicht übertrieben verzerrt, sondern erscheint gemäßigter und modern. Das zu hören, lohnt sich unbedingt!