Der Cellist, Pädagoge und Komponist Karl Friedrich Wilhelm Fitzenhagen (1848—1890) ist vermutlich nur wenigen Lesern bekannt—zu Unrecht, da er zu seinen Lebzeiten von Publikum und Musikern gleichermaßen geschätzt wurde. So schlug er beispielsweise eine Einladung Franz Liszts als Solocellist in der großherzoglichen Kapelle in Weimar aus, um mit nur 22 Jahren seine Professur am Moskauer Konservatorium anzutreten. Auch in Russland machte sich Fitzenhagen schnell einen Namen und prägte maßgeblich die Entwicklung der russischen Celloschule.
Eine enge Freundschaft verband ihn mit Peter Tschaikowsky. Als dieser ihn um Rat bat bezüglich der Cellostimme seiner Variationen über ein Rokoko-Thema op. 33, überarbeitete Fitzenhagen das Manuskript kurzerhand völlig: Er änderte die Reihenfolge der Variationen, strich die letzte komplett und ergänzte Passagen und Tempiwechsel. So viel Mut sollte belohnt werden! Tschaikowsky soll recht entspannt reagiert haben: „Hol’s der Teufel. Soll es so stehen bleiben, wie es ist.“ Bis heute wird vorrangig Fitzenhagens Bearbeitung des Stücks aufgeführt. Sie erklingt auch auf der hier vorliegenden CD.
Hauptziel der Einspielung ist es aber, Fitzenhagens eigene, kaum bekannte Kompositionen publik zu machen. Sie überzeugen in ihrer Ausdrucksstärke, Eingängigkeit und Varianz. Fitzenhagen ging dabei vermutlich autodidaktisch ans Werk, da er wohl keinen Kompositionsunterricht erhalten hat. In Fitzenhagens Cellokonzert Nr. 1 h-Moll op. 2 bildet das sehr lyrische, liedhafte Andante den Mittelpunkt. Es wird von zwei virtuosen Ecksätzen umrahmt. Fast opernhafte Züge entwickelt das zweite Cellokonzert in a-Moll op. 4, das den Untertitel Fantastique trägt. Es verbindet in seiner durchkomponierten Form Emotionen aller Art. Rezitative treffen auf sehr gesangliche und hochvirtuose Passagen.
Wilhelm Fitzenhagens kompositorischer Einfallsreichtum zeigt sich auch in der Verwendung ungewöhnlicher Besetzungen. So wird das Violoncello in Resignation op. 8 in seinem hymnischen, kantablen Gesang durch eine Flöte, eine Oboe, zwei Klarinetten, Fagotte und Hörner sowie Celli und Kontrabässe begleitet. Abgerundet wird die Einspielung von Fitzenhagens Kompositionen durch die Ballade op. 10, ein etwa 15-minütiges Konzertstück, welches das Violoncello in all seinen klanglichen Facetten zur Geltung bringt.
Alban Gerhardt und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Stefan Blunier überzeugen im Zusammenspiel durch klangliche und differenzierte musikalische Gestaltung besonders der gesanglichen Momente und machen Lust darauf, mehr von Wilhelm Fitzenhagen zu hören!