Francesco Benucci (ca. 1755-1824) ist der Nachwelt vor allem als Uraufführungsinterpret der Titelpartie in Mozarts 'Le nozze di Figaro' und des Guglielmo in 'Così fan tutte' bekannt; auch in der Wiener Erstaufführung des 'Don Giovanni' wirkte er als Leporello mit. Entsprechend steht Mozart im Zentrum dieser ersten Recital-CD des britischen Bassbaritons Matthew Rose. Der Sänger, der am Curtis Institute of Music in Philadelphia studiert hatte, hat schon eine beachtliche Karriere hingelegt und war nicht nur in Glyndebourne, an der Scala, der Met, der Deutschen Oper Berlin oder der Bayerischen Staatsoper zu hören, auch als Konzertsänger ist er vielgefragt. Vom kürzesten Rezitativ erspürt man Roses Bühnenpräsenz.
Die vorliegende CD findet den Sänger in bester stimmlicher Verfassung, in den tiefen Registern wie in den unangenehmen hohen Lagen. Er hat ein gutes Gespür für Timing, für dramatische Steigerungen, für charakterliche Durchdringung seiner Partien. Dass er dennoch kalkulierter klingt als etwa Bryn Terfel oder früher Walter Berry, merkt man an seinem steten Gestaltungswillen. Der ironische Unterton von 'Rivolgete a lui lo sguardo' KV 584, aus 'Così' ausgeschieden, fehlt fast gänzlich—hier wird fehlerfrei gesungen, doch ohne den letzten Funken Entäußerung, der gerade in diesem Bereich musikalische Komik erst zulässt. 'Se vuol ballare' leidet unter einem immer wieder unnötig herausgebellten ‚Sì‘ (hat aber ein paar schöne Verzierungen zu bieten). Auch die Registerarie bleibt schlussendlich unmemorabel—schön gesungen, aber nicht epochal gestaltet (man vergleiche mit José van Dam).
Ebenfalls nicht ganz geglückt ist der Beitrag aus dem zweiten Akt von Giuseppe Sartis 'I contrattempi'—zwar nutzt Rose sein reiches Stimmreservoir in Fülle, doch die feinen Schattierungen zwischen echter Verzweiflung, ironischer Durchdringung und schlichter Lächerlichkeit wird schlicht nicht voll ausgelotet. So ist bedauerlich, insgesamt sagen zu müssen, dass die vis comica, eine Eigenschaft, für die Benucci besonders berühmt war, bei dem Sänger offenbar grundsätzlich zu kurz kommt.
Überzeugender ist Rose, wenn es um die Darstellung von Verzweiflung oder Gehässigkeit geht. Figaros große Szene und Arie aus dem vierten Akt ist ein Höhepunkt der CD, ein anderer die Anrufung der Geister in Antonio Salieris 'La grotta di Trifonio'; wenn man 'Donne mie, le fate a tanti' aus 'Così' vor allem als Tirade eines Betrogenen hören möchte, trifft Rose den rechten Ton (in ‚l‘amistà‘ sogar einen Ton von ‚beleidigte Leberwurst‘ in der Vokalgestaltung—eine echte Leistung). Auch sein in die Enge getriebener Leporello in der für Wien nachkomponierten Szene Leporello-Zerlina überzeugt, offensichtlich angespornt durch Anna Devin als ausgezeichneter, dramatisch pointierter Zerlina (trotz längst nicht so außerordentlicher Stimme deutlich überzeugender als Lucia Popp unter István Kertész). Doch auch im Charakterfach könnte man sich noch vertieftere Durchdringung vorstellen—etwa in Salieris Arie des Axur aus dem fünften Akt der gleichnamigen Oper. Der Satz ‚Manca la volontà‘ könnte als Motto fast der ganzen CD gelten—so schön Rose singt, der Wille zur völligen Hingabe an die Situation, den darzustellenden Charakter hemmt ihn immer wieder, Höchstleistungen zu vollbringen. Am peinlichsten kommt dieser Eindruck zutage, wenn sein Guglielmo gegen seine Dorabella Katherine Watson in 'Il core vi dono' deutlich abfällt.
Auch die CD selbst ist keine voll überzeugende Leistung in honorem Francesco Benucci. Wie kann man (wunderbar gespielten, aber hier sinnlosen) Ouvertüren zu 'Le nozze di Figaro', 'Don Giovanni' (die selten zu hörende Konzertfassung) sowie Giovanni Paisiellos 'Il re Teodoro in Venezia' überzeugend erklären, während die Opern von Martin y Soler, Salieri und Sarti (auch 'Il re Teodoro' von Paisiello selbst) allesamt deutlich zu kurz kommen? Besteht die Notwendigkeit, auf Mozart-Duette auszuweichen, weil die anderen Komponisten nichts Substanzielles für den Sänger geschrieben haben? Mit Sicherheit nicht.
Das frisch aufspielende historisch informiert musizierende Orchester Arcangelo ist voll in seinem Element. Es bietet nicht nur Mozart-Spiel vom Feinsten, auch die anderen Komponisten liegt den Musikern hörbar. Am wenigsten können die Musiker in Martin y Solers 'Una cosa rara' brillieren, da Solers Orchestersatz ausgesprochen zurückhaltend gestaltet ist.
Insgesamt haben wir also eine leider nicht ausgewogen gewichtete, von Sängerseite leider auch nicht alle Facetten der Musik voll auslotende Produktion in sehr guter Aufnahmequalität mit einem umfangreichen, sorgfältig ausgearbeiteten Booklet (nur auf Englisch).