Robert Nemecek
Piano News, Germany
September 2016
PERFORMANCE
RECORDING

Garrick Ohlsson hat bekanntlich ein extrem breit gefächertes Repertoire und überrascht immer wieder mal mit ungewöhnlichen Ideen. Das ist ihm auch diesmal wieder gelungen. Denn vieles hätte man wohl erwartet, aber sicher nicht böhmische Tänze umfassende Zyklus ist so etwas wie das böhmische Gegenstück zu Chopins Mazurken, und Smetanas Polkas, Furiants etc. Leben ebenfalls von der Vitalität Volkstümlicher Rhythmik und Melodik. Im Unterschied zu Chopin ist Smetana auch vordergründiger Virtuosität im Geiste Liszts nicht abgeneigt, und manch einer dieser Tänze gleicht einer pianistischen Tour de Force. Das liegt Ohlsson natürlich, der unter rein pianistichen Gesichtspunkten die wohl geschmeidigste aller Versionen vorlegt. Keiner bringt einen so entfesselten Stampfer (Vivacissimo), und keiner bewältigt die zuweilen recht vertrackten Texturen (vor allem Nrn. 3 und 4, Buch II) so mühelos wie der Amerikaner. Dafür wirken einige der schlichteren Stücke bei ihm fast schon unmotiviert und farblos, weil Ohlsson nur wenig Sinn für den eingentümlichen Charme dieser schlichten Gebilde hat und die Klangdifferenzierung darüber sträflich vernachlässigt. In der ebenso brillanten wie populären Etüde Am Seegestade, dem böhmischen Gegenstück zu Liszts Il Sospiro, ist er dann wieder ganz in seinem Element und lässt es plätschern und rauschen, dass es eine wahre Freude ist. Mit kleinen Einschränkungen ist sein unerwarteter Ausflug in die böhmische Musik absolut empfehlenswert.

Piano News, Germany