Die intime Kunstform des Liedes hat es dem österreichischen Bassbariton Florian Boesch besonders angetan. Auf die Opernbühne geht er nur mit ausgesuchten Produktionen. Erfolge als Konzertsänger brachten ihm bereits Residenzen in der Londoner Wigmore Hall oder der Carnegie Hall in New York. Auf seinem neuen Album präsentiert er nun mit seinem vertrauten Klavierpartner Roger Vignoles Lieder von Alexander Zemlinsky und einen Zyklus von Ernst Krenek.
Unüberhörbar ist hier zunächst die Musik von Franz Schubert präsent. Ganz bewusst verbeugt sich Ernst Krenek am Beginn seines Reisebuchs aus den österreichischen Alpen vor seinem verehrten Landsmann und Kollegen. Krenek komponiert diesen Zyklus innerhalb kurzer Zeit 1929, ein Jahr, nachdem die Musikwelt Schuberts 100. Todestag begangen hat. Unmittelbar angeregt durch eine Reise in die österreichischen Berge, schreibt der 29-jährige Krenek den Text zu seinen zwanzig Liedern selbst. Und auch wenn hier das Reisen zum Ziel wird, führt die Wanderung nicht in unberührte Natur, sondern in die konkrete Gegenwart der 1920er Jahre. Der Tonfall ändert sich schon im zweiten Lied Verkehr.
In Kreneks Zyklus verschmelzen auf raffinierte Art und Weise musikalische Reminiszenzen an die Vergangenheit und atonale Wendungen. Krenek spielt gekonnt mit dieser Fallhöhe. Auch wenn der Massentourismus in den Liedern von Krenek benannt wird, begegnet dieser diesem Phänomen seiner Gegenwart nicht mit sozialkritischer Perspektive wie etwa Bertold Brecht. In Kreneks Reisebuch treffen ein tief empfundener Pessimismus, Melancholie und Heimatverbundenheit auf Zukunftsängste und einen fast schon visionären Abschiedsschmerz. Denn auch Krenek wurde in den 1930er Jahren ins Exil gezwungen.
Dass dem Hörer Kreneks Lieder so eindrücklich und aktuell auf dieser CD entgegenkommen, ist dem kongenialen Interpretenduo zu verdanken. Bassbariton Florian Boesch und Pianist Roger Vignoles treffen genau den richtigen Tonfall. Mit ausgezeichneter Textverständlichkeit und exakter Balance gestaltet Boesch die Szenerien der einzelnen Stationen, mal im schlichten Sprechgesang, mal mit expressiver Ausdruckskraft. Roger Vignoles ist ihm dabei mehr als reagierender Klavierbegleiter. Vielmehr setzt auch er initiativ Akzente, regt etwa eine ironische Geste an oder übernimmt sensibel eine Gesangslinie. Mit vier selten zu hörenden Liedern von Alexander Zemlinsky runden die Beiden ihr Album ab. Es sind Kompositionen des knapp 20jährigen Zemlinsky—einem großen Unterstützer Kreneks. Auch diese vier Vertonungen von Traum- und Nachtgedichten führen in die Natur und sind ein Abbild ihrer Entstehungszeit um 1890, eine Entdeckung. Alles in allem: ein wunderbares Liederalbum!