Um es kurz zu fassen: Die Aufnahme der Beethovensonaten Nr. 9, 19, 20, 16 und 26 von Angela Hewitt für Hyperion (der nunmehr sechste Teil ihres Gesamtzyklus) ist grundsolide, die Pianisten erfüllt alle technischen Anforderungen an die Werke. Beethoven gibt sich unter Hewitts Händen glanzvoll, perlend brillant. Die Pianistin besticht durch ein feinfühliges melodisches Spiel in natürlicher Phrasierung. Die einzelnen Melodiestimmen vermag sie gut miteinander zu verzahnen und ihnen ihren jeweiligen Stellenwert zukommen zu lassen. Nicht zuletzt vermag Angela Hewitt auch, solche magischen Stellen entstehen zu lassen, die eine unerhört transzendentale Welt eröffnen und den Hörer in ihren Sog reißen—gerade die Gleichzeitigkeit opponierender Rhythmik gerät umwerfend faszinierend. Doch ist der Beethoven-Markt hart umkämpft, und fast alle großen Klaviervirtuosen sind auf ihm vertreten. So gibt es bei Hewitt auch einige wesentlichen Aspekte, welche anders als bei zeitlosen Größen wie Haskil, Serkin, Michelangeli, Lipatti und einigen anderen nicht so entschieden zum Zug kommen. So fällt beispielsweise die Tendenz auf, Akzentuierungen übermäßig laut und hart herauszuholen, allgemein ist das Forte zu sehr aus dem Unterarm heraus geschlagen, wodurch es ihm an plastischer Klangfülle fehlt.
Der Pianissimobereich hingegen wird zu selten erschlossen, Hewitt vertraut der Mezzo-Lage, in welcher sie brillieren und durch reines Cantabile begeistern kann. Die Tempi rubati auf kleinem Raum wirken stellenweise etwas ungelenk und gewollt, ihnen fehlt die natürliche Leichtigkeit und scheinbare Unbekümmertheit, die sie ins Unterbewusstsein des Hörers verschwinden und von dort noch stärker wirken lassen kann. Auch ist anzumerken, dass Hewitt in ihrer melodiösen Gabe die Vertikale gerne außer Acht lässt, die Akkorde nicht aufeinander abstimmt und die so unumstößlich charakteristischen Dissonanzen in ihnen verwischt und verundeutlicht.
Mit Beethoven einen großen Wurf zu machen, ist wahrlich schwierig, alle Anforderungen der Gestaltung kommen sogar in den leichtesten Sonaten zum Tragen und fordern durchdringendes Verständnis. Auf diesem Feld, wo nur eine Hand voll Pianisten überhaupt komplett überzeugen konnte, gelingt Angela Hewitt eine durchaus hörenswerte Einspielung, die lediglich durch die erdrückend große Konkurrenz ins obere Mittelfeld abgedrängt wird.