RECORDING
Der Westminster Cathedral Choir bietet eine exemplarische Umsetzung der Chormusik von Alonso Lobo.
Alonso Lobo (1555-1617) wird heute kaum zu den bekanntesten Komponisten des späten 16. Jahrhunderts gezählt, obschon sein Schaffen von beachtlichem Umfang und ebensolcher Qualität ist; berühmt ist er heute vor allem für seine Begräbnismotette für Philipp II. Umso verdienstvoller ist die vorliegende CD, die mit einer gut halbstündigen Messe und kaum weniger beachtlichen Lamentationen (von deren zwei Zyklen zur Karsamstagsmette heute nur mehr der erste aufführbar ist) zwei Schwerpunkte bietet (beides keine CD-Premieren). Die 'Missa Maria Magdalene' für sechsstimmigen Chor gehört zu seinen substanziellsten Werken—basierend auf Francisco Guerreros anspruchsvoller Motette 'Maria Magdalene et altera Maria', die hier ebenfalls dargeboten wird.
Lobo und sein Lehrer an der Kathedrale von Sevilla verbindet die gemeinsame Musiktradition, die einen bedeutenden kulturhistorischen Strang der europäischen Musikgeschichte des 16. Jahrhunderts darstellt. Dass Lobo wie Guerrero gleichermaßen wenig diskografisch vertreten sind, ist mitnichten mit mangelnder musikalischer Qualität begründet, vielmehr vielleicht wieder einmal in der (ahistorischen) Sichtweise bestimmter musikalischer Zentren in Europa, die auf diese Weise nicht den ‚ganzen Kuchen‘ repräsentieren. Lobo als ein später Repräsentant der sogenannten Renaissancepolyphonie ist musikalisch eine durchaus beachtliche Größe. Auch die teilweise problematische Quellensituation mag ihren Teil dazu beigetragen haben—wie etwa im Booklet in Bezug auf die ebenfalls enthaltene Motette 'Regina caeli' eindrücklich erläutert wird. Komplettiert wird die CD durch die Motette 'O quam suavis est, Domine' aus dem gedruckten Band der beiden Messkompositionen von 1602.
Der Westminster Cathedral Choir unter seinem langjährigen Leiter Martin Baker bietet Wiedergaben, die man als exemplarisch bezeichnen kann. Die Musiker verstehen und empfinden die Musik, ihren Geist und ihre musikalische Faktur, und die klangliche Homogenität spricht nicht nur für die Leistungen der Choristen und ihres Chordirektors, sondern auch für die vorbildliche Aufnahmetechnik, die den Werken in den Soli wie im Tutti klug und sensibel dient, die den Aufnahmeraum intelligent in das Gesamtkonzept integriert und so richtige Gesamtkunstwerke ermöglicht, die—auch durch die Covergestaltung—die Ästhetik der Zeit auf das Glücklichste lebendig werden lässt. Und selbst wenn der mehrsprachig dargebotene Booklettext von überschaubarem Umfang ist, so werden doch alle wesentlichen Informationen übermittelt und der Hörer wird nicht auf abseitige Pfade geführt. Wollte man etwas bemängeln, so können es nur die unzureichenden Abbildungsnachweise sein. Das ist aufs Ganze gesehen denn doch vernachlässigenswert. Rundum zu empfehlen.