Yvonne Rohling
Klassik.com, Germany
Dezember 2016
PERFORMANCE
RECORDING

Wolfgang Amadeus Mozarts kammermusikalisches Schaffen ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Nicht nur, weil er eine Vielzahl an großartigen Werken hinterlassen hat, sondern auch, weil er sich während seiner gesamten kompositorischen Schaffenszeit immer wieder mit den unterschiedlichen kammermusikalischen Besetzungen auseinandersetzte. So veranschaulichen auch seine Violinsonaten die Entwicklung dieser Gattung auf einzigartige Weise: Während die frühen Werke noch den Charakter einer durch die Violine begleiteten Klaviersonate haben, zeigen die späteren, klassischen Sonaten Violine und Klavier als gleichberechtige Partner.

Die Geigerin Alina Ibragimova und der Pianist Cédric Tiberghien haben sich vorgenommen, diese Entwicklung in aller Deutlichkeit aufzuzeigen und stellen die einzelnen Violinsonaten aus Mozarts unterschiedlichen Schaffensperioden einander gegenüber. Dem Hörer eröffnen sich durch den direkten Vergleich von frühen, mittleren und späten Sonaten im besten Fall neue Erkenntnisse. Soweit das theoretische Konzept—in der Praxis hat dies auf der ersten Folge ihrer Gesamteinspielung bereits gut funktioniert.

Auch auf Vol. 2 des von Hyperion herausgebrachten Sonatenzyklus haben die beiden Mozarts Violinsonaten wieder gut durchgeschüttelt und kräftig (auf-)gemischt. Die Sonaten F-Dur KV 376, B-Dur KV 15, A-Dur KV 402, und C-Dur KV 6 sowie D-Dur KV 29, G-Dur KV 9, D-Dur KV 7 und A-Dur KV 305 sind auf der Doppel-CD versammelt. Ein kultivierter, leichter Klang und der von Ibragimova durchdachte Einsatz des Vibratos zeichnen diese Einspielung aus, ebenso ein ausbalanciertes Zusammenspiel und lupenreine Intonation. Vor allem Ibragimovas Tongebung zeigt sich wandelbar und flexibel. Der Wechsel zwischen Führung und Begleitung gelingt ihr mühelos und überzeugend. Tiberghien hingegen bleibt stellenweise dezent im Hintergrund, wie im 'Rondeaux' der Sonate KV 376, wo etwas mehr Zugkraft seitens des Klaviers der Interpretation gut getan hätte, um einige Facetten deutlicher herauszuarbeiten. Ausgezeichnet hingegen gelingt den beiden die Sonate KV 305. Ein Glanzpunkt dieser Einspielung ist das 'Allegro di molto', in dem mit Verve, Spielfreunde und Fingerspitzengefühl für Tempo und Spannungsbögen musiziert wird.

Insgesamt ist bei dieser Folge auffällig, dass über die Hälfte der hier zusammengefassten Sonaten aus der frühen Schaffensperiode stammt. Dadurch wird (nebenbei oder beabsichtigt) ein Schwerpunkt auf Mozarts frühe Sonaten gelegt. Begrüßenswert ist jedoch, dass den beiden Interpreten auf dieser Folge ein besserer Zugang zu den Werken gelingt. So wird beispielsweise Mozarts allererstes Werk der Gattung (er war gerade einmal sieben Jahre alt), die Sonate KV 6 herrlich frisch musiziert. Darauf folgt das facettenreiche Menuett der Sonate KV 9, in dem Ibragimova und Tiberghien vom zupackenden Gestus mühelos ins Liebliche wechseln. Ebenso schattierungsreich gelingt das 'Allegro molto' aus KV 7. Ibragimova gestaltet die Linie und die Phrasen des nicht eben virtuosen Violinparts durchdacht, um das Klavier gezielt zu unterstützen. So tritt die begleitende Funktion der Violine in ganzer Deutlichkeit zu Tage. Die sich anschließende Sonate KV 305 veranschaulicht dann die Weiterentwicklung der Gattung: Gleich zu Beginn des 'Allegro di molto' stellen Violine und Klavier unisono das markante Thema vor, das im Verlauf von der Violine weitergeführt wird—ein Charakteristikum, das insbesondere in einer solchen Gegenüberstellung an Gewicht gewinnt und umso deutlicher hervortritt.

Genau umgekehrt verhält es sich bei der Sonate KV 402 und der sich anschließenden Sonate KV 6. Hier wird man als Hörer ganz plötzlich aufs Startfeld zurückgesetzt. Am allerdeutlichsten ist dieser (Rück-)Schritt im 'Andante' wahrnehmbar, in dem sich Ibragimova fast bis ins Pianissimo zurück zieht. Hier wird nicht nur die Entwicklung der Gattung Violinsonate betont, sondern auch Mozarts eigenes kompositorisches Voranschreiten und die Entwicklung seines Stiles deutlich wahrnehmbar gemacht.

Man darf gespannt sein, wann sich die beiden nun an die ‚großen‘ späten Sonaten wagen. Ihr Konzept geht jedenfalls immer noch auf und macht die zweite Folge abwechslungsreich.

Klassik.com, Germany