Der aus dem Alentejo stammende Manuel Cardoso ist im 17. Jahrhundert der beliebteste Tonsetzer Portugals, sofern man nach der Verbreitung seiner Kompositionen geht. Seine Lebensdaten (1566-1650) fallen in die Regentschaft des Habsburgers Philipp II. von Spanien, mit der das sogenannte «goldene Jahrhundert» seinen Anfang nimmt. In dieser Zeit erlebten auch die schönen Künste Hochkonjunktur.
Die vorliegende Aufnahme präsentiert eine Auswahl an geistlicher Vokalmusik. Darunter befinden sich Kompositionen, die allesamt schon zu Lebzeiten Cardosos im Druck erschienen sind: unter anderem die «Missa pro defunctis a 4», Lamentationen, ein Magnificat und zu verschiedenen Anlässen komponierte Motetten, wie es dem schlichten Titel der Einspielung zu entnehmen ist. Leider wurde ein nicht zu unterschätzender Teil seines OEuvre im Zuge des Erdbebens von Lissabon im Jahre 1755 zerstört. Festzuhalten ist vor dem Hintergrund der Quellenlage dennoch, dass sein Schwerpunkt auf den Messkompositionen lag. Das Ensemble Cupertinos unter Luís Toscano widmet sich vornehmlich dem Erbe portugiesischer Musik des 16. und 17. Jahrhunderts und legt hier eine äußerst sensible Interpretation der Werke Cardosos vor.
Hervorzuheben ist der Lobgesang Marias, das «Magnificat secundi toni». Es gehört zu dem ersten Band («Cantica Beatae Mariae Virginis», 1613) seiner insgesamt fünf erhaltenen Bände mit geistlicher A-cappella-Musik. Das alternatim, also im Wechselgesang, vorgetragene Stück lädt durch die gut aufeinander abgestimmte Vortragsweise der Ensemblemitglieder zur Kontemplation ein. Alles kreist um den wiederkehrenden, einstimmig vorgetragenen Vers der Solistin Eva Braga Simões. Sie trägt ihren Teil mit einer beeindruckenden Klarheit in Textbehandlung und schlanker Stimmführung vor, sodass empfängliche ZuhörerInnen an eine Geste der Demut erinnert sein mögen.
Des Weiteren eröffnet sie die Totenmesse, die ebenfalls eine Alternatim-Anlage besitzt. Das Ensemble interpretiert hier die Fassung für vier Stimmen aus «Livro de varios motetes» von 1648 anstatt der bekannten sechsstimmigen Vertonung aus «Liber primus Missarum» von 1625. Die anderen SolistInnen, zum Beispiel Luís Toscano, Almeno Gonçalves (beide Tenor) und Brígida Silva (Alt) haben ein schlichtes, nie aufdrängendes Timbre, was den meditativen Charakter des geistlichen Werkes hervorhebt. Auffällig sind die beiden Responsorien «In monte Oliveti» («Auf dem Ölberg») und «Tristis est anima mea» («Traurig ist meine Seele»), die die Einspielung eröffnen. Sie sind durchweg im homophonen Stil komponiert—im Gegensatz zu den anderen Kompositionen, die der alten Praxis mit polyphoner Satzanlage verpflichtet sind. Fazit: Eine willkommene Aufnahme mit einem auf der europäischen Musiklandkarte selten vertretenen Komponisten.