Bisher hat Hyperion jede Folge der Aufnahmen aller Lieder von Johannes Brahms solistisch unterschiedlich besetzt. Das scheint ein Prinzip dieser Edition zu sein. Kontinuität garantiert hingegen Graham Johnson, der bei sämtlichen bisherigen Teilen am Klavier gesessen hat. Mit Vol. 9 ist jetzt der irische Tenor Robin Tritschler an der Reihe. Er wurde an der Royal Irish Academy of Music ausgebildet und debütierte 2013 als Narr in Wozzeck. Es folgten Belmonte, Don Ottavio, Ferrando, Narraboth, Graf Almaviva und Nemorino an diversen Häusern und bei Festivals auch auf dem europäischen Kontinent und in Übersee. Er ist gut im Geschäft, zumal er sich auch ein solides Lied-Repertoire sowie die großen Passionen von Bach erarbeitet hat.
Tritschler singt einundzwanzig Solotitel und mit der Sopranistin Harriet Burns weitere neun Nummern der Sammlung „Deutsche Volkslieder“, darunter die anspielungsreiche Nummer eins „Sagt mir, o schönste Schäf’rin mein“. Damit sind 24 von insgesamt 49 dieser Volkslieder im Kasten. Auf der Harriet Burns gewidmeten CD waren beide bereits gemeinsam mit dem Zyklus beschäftigt. Man darf gespannt sein, welche Sänger neben dem ebenfalls schon beteiligten Benjamin Appl die noch ausstehenden Titel dieses populären Brahms-Opus übertragen bekommen. Mit „Mondnacht“ und „In der Fremde“ sind zwei Eichendorff-Vertonungen zu hören, die zuvor Robert Schumann in seinen „Liederkreis op. 39“ aufgenommen hatte. Die Frage, wer besser abschneidet, stellt sich nicht. Brahms gelingen in seinen deutlich späteren Vertonungen eigenständige Werke, die den Vergleich mit dem Vorgänger nicht zu scheuen brauchen. Wäre der Tenor nicht so gut zu verstehen sein, dieselben Textvorlagen fielen nicht gleich auf. Tritschler sind Poesie und Lyrik, die beide Varianten auszeichnen, in die Stimme gelegt. Mit „Feldeinsamkeit“ und „Vergebliches Ständchen“ hat er zwei der schönsten Brahms-Lieder im Programm. Das ist einerseits ein Glück, andererseits sitzt ihm aber auch eine starke Konkurrenz im Nacken. Er behauptet sich aber mit seinem ganz eigenen klaren Erzählstil, der offenbar auch durch die Erfahrungen als Evangelist geprägt ist. „Vergebliches Ständchen“ wird—wieder mit Harriet Burns—im Duett gesungen. So hatte es auch der Komponist festgelegt. Erst in der Konzertpraxis war es zum Sololied geworden.