In unserer Ausgabe 2-2019 berichteten wir über die Aufnahmesitzung Marc-André Hamelins für seine Einspielung der Sonaten des russischen Pianisten Samuil Feinberg (1890 1962). Bislang hat sich nur der Grieche Nikolaos Samaltanos diesen Werken angenommen. Die meisten Klavierliebhaber kennen den großartigen Pianisten Feinberg, kaum aber den Komponisten. Wenn Hamelin sich solcher Werke annimmt, kann man davon ausgehen, dass etwas Großartiges entsteht. Schon in den Aufnahmesitzungen war man beeindruckt von der Emphase und dem Willen zu einem Feinbergs Stil ähnlichen Ausdrucksspiel, mit der Hamelin agierte. Nun also liegen die ersten sechs der insgesamt 12 Sonaten auf CD vor, wobei Hamelin die 3. Sonate aus den originalen Manuskripten Feinbergs spielt, nicht in der von dem Komponisten Alexander Alessandrow veränderten Fassung. Die Sonaten 1 u. 2 (1915 u. 1916) stark in der lyrisch-harmoni schen Struktur der damals aufkeimenden russischen Moderne ge schrieben, einsätzig, und in ihrer romantischen Aussagekraft erinnern sie an Skrjabin, allein dass die Textur und der Satz reicher angelegt sind. Mit der 3. Sonate betritt Feinberg vollkommen anderes Terrain: Modernere Harmonik, weitschweifige Formgebung lassen diese Sonate gleichbedeutend mit denen von Rachmaninow erscheinen. Dennoch ist Feinberg kein Epigone, sondern ein Komponist, der seine eigene Ausdruckswelt findet—mit dunklen wie lyrisch-poetischen Aussagen, die den Zuhörer sofort gefangen nehmen. Hamelin brilliert in jeder Nuance, jeder Phrase—emotionsgeladen und emphatisch den Ideen Feinbergs nachhorchend. Eine wunderbare Entdeckung, gepaart mit brillantem Spiel!