RECORDING
Der spanische Chor El Léon de Oro wurde 1997 von Marco Antonio García de Paz gegründet und wird in der aktuellen Aufnahme abwechselnd von seinem Leiter und dem englischen Chordirigenten und Gründer von The Tallis Scholars, Peter Phillips, geleitet. Letzteren verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem spanischen Ensemble; seit 2017 ist er Ehrendirigent der Formation.
Der Chor ist mit 38 Stimmen stattlich besetzt, ist aber, bei aller strömenden Klangentfaltung, dem Ideal von Konzentration und Klarheit verpflichtet. Die strahlenden Soprane werden leicht und ohne üppige Körperlichkeit entfaltet; die Mittelstimmen zeichnen klar und warten mit charakterstarken Eigenheiten auf; die Bässe markieren profund den unteren Rand des Klangtableaus und gestalten die Tiefensphäre tragfähig. Insgesamt verbindet das Ensemble auf selbstverständliche Weise seine klangliche Größe mit dem erstaunlichen Eindruck von Intimität, fast den Vorzügen eines im solistischen Sinne besetzten Ensembles entsprechend. Besonders Peter Phillips scheint diese beiden Ideale in seinem Dirigat miteinander zu versöhnen. Ergebnis ist eine durchgehend strömende Intensität von großer Klarheit, ein betörend schönes Klangereignis.
Intoniert wird durch alle Lagen hindurch stabil und frei, auch in entschiedener Kraftentfaltung nicht gefährdet. Viel edle Sonorität lässt sich darüber hinaus in manchem Schluss hören. Die Sätze fließen in großer Freiheit und stimmigen Relationen dahin. Dazu verfügt der Chor über üppige vokale Mittel, die kontrolliert und doch entschieden zu voller Größe geführt werden; die Konzentration gesammelter Passagen bildet einen deutlichen Gegenpol. Artikulatorisch werden ausgreifend lange Linien mit edlem Klangkern und subtiler Gliederung gestaltet; in gelockerter Faktur, etwa bei Philippe Rogier, bewegen sich die Vokalisten elegant und angenehm leichtfüßig. Die Aufnahme wurde in der Kirche des Real Monasterio de San Salvador de Cornellana im asturischen Salas realisiert—in einem Klangbild von kontrollierter Größe und einnehmender Substanz, hinreichend klar und doch den magischen Reiz des Zusammenklangs nicht gefährdend.
Allein schon wegen der Ersteinspielung der fulminanten Missa Praeter rerum seriem von George de la Hèle ist diese Platte mit El Léon de Oro unbedingt hörenswert. Darüber hinaus lenkt sie den Blick auf eine vokalpolyphone Spätblüte und einen merkwürdig eigenständigen kulturellen Austausch, der für etliche Jahrzehnte prägend war—die Capilla Flamenca als prägende Größe am Ausgang der Renaissance.